Nachtrag Boston

12-13-2019

Also, wir wurden auf einen anderen Flug umgebucht... (kein neues "Lufthansa-Chaos").



Zurück nach Boston... am Abend des 14. November fand die Gedenkveranstaltung des Deutschen Konsulats zum 29. Jahrestag der Wiedervereinigung statt. Geladen waren Diplomaten, Repräsentanten verschiedener Stiftungen und Gesellschaften sowie Vertreter aus Industrie und Wirtschaft. Eröffnet wurde der Abend mit einer Ansprache von Generalkonsulin Nicole Menzenbach, im Anschluss referierte Liz von Wagner, Kulturreferentin des Konsulats, über die deutsch-amerikanischen Beziehungen - alles "tacco"… - und danach war ich, mit einem Vortrag zu meinen persönlichen Erfahrungen mit der SED-Diktatur und deren Nachwirkungen bis heute, dran. 12 Minuten (max. 15) waren dazu vorgesehen. Das war schon eine Herausforderung, denn wenn ich erst einmal loslege... nach 14 Minuten und 25 Sekunden war ich fertig und das Publikum (so zumindest würde ich dessen Reaktion deuten) "enthusiastic". Im Anschluss waren noch Stimmen aus Industrie und Wirtschaft zu hören - auch da alles wunderbar, Handelskrieg und amerikanische Sanktionspolitik wurden nicht erwähnt - und dann gab`s Essen.



Wie so häufig fanden im Anschluss an den offiziellen Teil der Veranstaltung die wirklich spannenden Gespräche statt. Da blitzten dann auch  schon einmal kritische Aspekte auf. Aber alles in allem s(w)ollte der eher unbeschwerte Charakter der Veranstaltung weiter getragen werden und irgendwie ist das doch auch mal ganz schön - die Zeiten in denen wir uns befinden, machen das mitunter gar nicht so leicht...

 

Wir werden in den "Ferien", mit etwas mehr Zeit, auch mal auf die inhaltlichen Aspekte der Gespräche und Erfahrungen insgesamt eingehen.


Der Abend nahm noch eine interessante Wendung. Zurück ins Hotel zurück brachte uns eine Mitarbeiterin des Goetheinstituts mit deren Mann, der wiederum, was sich in der regen Unterhaltung im Auto herausstellte, Bruder des (inzwischen zurückgezogenen, da: kein "Millionär") demokratischen Präsidentschaftsanwärters John Hickenlooper, ist. Crazy world, isn´t it?


An den kommenden Tagen stand noch der Besuch von insgesamt drei Schulen, zwei deutschen und einer amerikanischen, an. Auch da fanden zahlreiche spannende Begegnungen und Gespräche statt. Jugendliche und Lehrer, die keinen so "hinderlichen" diplomatischen Beschränkungen unterliegen, äußern sich eben doch offener, vor allem aber verständlicher und oftmals sehr erfrischend.



Ich glaube, Boston war ein voller Erfolg. Dennoch waren wir froh, nach vier Tagen diesen Kühlschrank verlassen zu können und ins mildere Washington zu fliegen, wo immerhin Plus-Grade auf uns warteten.



Boston

12-08-2019

Boston erreichten wir nach einer Zwischenlandung in Houston. Der amerikanischen Ton bei Einreisen in die USA ist ja quasi "legendär"... diesmal wurden wir wie Vieh durch die Gepäckkontrolle getrieben (mit Megaphone) - just horrible! Da muss man durch und es ist ja auch überhaupt nicht von Belang, so ein Gefühl von Willkommmenskultur in einem fremden Land?!


In Boston wurden wir von der Generalkonsulin persönlich vom Flughafen abgeholt und zur Lagebesprechung ins Konsulat gefahren. Wir besprachen die Veranstaltung des Konsulats zum Jahresgedenken an die deutsche Wiedervereinigung, die am 14. November stattfinden sollte. Natürlich wurde auch auf die aktuelle Situation in den USA mit ihrem "Super-Hero-Präsidenten", dem gerade "schreindstes Unrecht" widerfährt, eingegangen. Boston scheint so etwas wie eine Anti-Trump-Hochburg zu sein. Irgendwie habe ich im Rahmen meiner Arbeit mit amerikanischen Studenten in Berlin ohnehin das Gefühl , dass es Trump-Befürworter schlicht nicht gibt. 


Der Abend war frei und der Sonnenschein in Boston lud zu einem Spaziergang ein - der Verlust von 25 Grad aber (22 in Bogota / -3 in Boston) ließ uns von diesem Plan Abstand nehmen und den Kamin in der Hotellobby in den Focus rücken, vor dem wir einpennten.


Am Vormittag des 14. Dezember war ich zu einem Vortrag an die Brandeis University eingeladen. Diese Universität ist eine jüdische Hochschule und an dieser findet jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Reichsprogroms von 1938 statt. Vor zwei Jahren habe ich diese Gedenkveranstaltung besucht und es entstand die Idee, mal die deutsche Sicht auf ein Jahresgedenken mit (mindestens) zwei Gesichtern zu lenken. Damals war die Brisanz dieser Betrachtung mit Blick auf wachsenden Rechtspopulismus und zunehmenden Antisemitismus in unserem Land noch gar nicht so absehbar. So war die Veranstaltung sehr gut besucht und die Fragen der Anwesenden machten vor allem das Interesse am heutigen Deutschland mit den aktuellen Entwicklungen deutlich. Der Dialog war spannend und aufschlussreich.



Für den Moment muss ich Schluss machen, wir müssen jetzt was regeln - unser Flug von Rio de Janeiro nach Sao Paulo wurde gerade gestrichen! Wir sitzen hier mit Blick auf die Christus-Statue, die auch gerade in den Wolken verschwindet. Schlechtes Ohmen?




Caracas - Bogota - Boston

12-08-2019

Zurück in Bogota stand am 12.11. der Besuch der Deutschen Schule und ein Vortrag in der Deutschen Gemeinde San Mateo an. Deutsch-deutsche Themen sind hier von großem Interesse. Bogota selbst wirkte, nach den drei Tagen in Caracas, wie eine völlig normale Stadt - man konnte fast vergessen, dass auch hier Sicherheitslage problematisch ist...


Am Abend hieß es bereits wieder Sachen packen. Der Flieger in die USA wartete auf uns. Der Fahrdienst, der uns knapp vier Tage zuvor zum Flughafen brachte um uns knapp drei Tage später wieder abzuholen, sah wohl (wie wir selbst auch langsam) nicht mehr durch und stand erneut am Flughafen. Wir mussten kurzerhand und mitten in der Nacht ein Taxi rufen. Das kam dann auch, drohte aber bei wolkenbruchartigem Regen und überfluteten Straßen steckenzubleiben... Immer dann, wenn das was wir da durchqueren mussten eher wie ein See als eine Straße aussah und mächtig Gas erforderlich war um da durch zu kommen, dachten wir "das war's". Aber unser Taxifahrer kam durch und brachte uns pünktlich zum Flughafen.


Das FBI pickt sich bei Flügen aus Lateinamerika in die USA stichpunktartig Passagiere vor dem Besteigen der Flieger heraus, die sich dann eine Leibesvisite gefallen lassen müssen. Diesmal hat es Harald erwischt... Warten im Durchzug und Einsteigen kurz vor Abflug - "America first" warf seine Schatten voraus.


Immerhin konnten wir der Einladung des Deutschen Konsulats nachkommen, welches mich als Gastredner zu den Feierlichkeiten anlässlich des 29. Jahrestages der Deutschen Wiedervereinigung nach Boston einlud. Die Vorfreude war groß!

Caracas

12-05-2019

Der Botschafter holte uns vom Flughafen ab - mit einem gepanzerten, bombengesicherten Wagen... die Fahrt vom Flughafen in die Stadt ist selbst für Venezuelaner stets der gefährlichste Teil einer Reise nach Caracas.


Auf dem Weg zum Hotel gab Botschafter Kriener Einblicke in die jüngere Geschichte des Landes. Am Abend folgten wir der Einladung des Goetheinstituts und trafen auf Künstler und Kulturschaffende der Stadt. Es kam zu einem regen und spannenden Gedankenaustausch, der aber bereits die problematische Lage in Venezuela deutlich machte. Die Chance, so dicht an Menschen heran zu kommen, die tagtäglich ihr (Berufs-) Leben unter derart schwierigen Bedingungen meistern müssen, ist von unschätzbarem Wert und verschafft Einblicke in eine Region, die uns und den meisten nur aus den Medien bekannt war/ist.


Am darauffolgenden Vormittag fand dann die Gedenkveranstaltung zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im Centro Cultural de Chacao statt. Die 500 Plätze waren fast vollständig belegt. Davon ging die Botschaft im Vorfeld nicht unbedingt aus und war von dem großen Interesse sichtlich überrascht. Nach einer Begrüßungsrede von Daniel Kriener und dem Bürgermeister von Caracas/Chacao war ich dran... mit einem 45minütigem Vortrag zur Situation in Deutschland 30 Jahre nach dem Fall der Mauer vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen mit der SED-Diktatur. Anschließend fand eine Podiumsdiskussion statt. Von den Fragen und der überwältigenden Reaktion der Gäste war ich sehr berührt. Bei dem anschließend sattfindenden Empfang hatte ich die Gelegenheit einige der Gäste kennenzulernen und interessante Gespräche zu führen u.a. mit Vertretern verschiedener Stiftungen, Botschaftern (jetzt habe ich auch eine Einladung nach Südafrika), Vertretern der jüdischen Gemeinde und des Forschungszentrums Yad Vashem sowie Professoren und Studenten verschiedener Universitäten des Landes. Der Austausch war aber nicht nur von Interesse, sondern auch von großer Wertschätzung geprägt. Nicht viele Besucher bereisen derzeit das krisengeschüttelte Land.



Den freien Sonntag-Nachmittag zu einem Spaziergang in die Stadt zu nutzen war undenkbar. Selbst kürzeste Distanzen wurden mit dem Wagen der Botschaft zurückgelegt. Herr Kriener lud uns aber zu einem Ausflug auf eine (bewachte) Hacienda zum Besuch einer Ausstellung anlässlich des Humboldt-Jahres und zu einem kurzen Gang in einen öffentlichen Park ein. Das vermittelte immerhin einen Eindruck vom gesellschaftlichen (Sonntags-) Leben in der Stadt.


Am nächsten Tag stand der Besuch der Universidad Catolica auf dem Plan, einer Elite-Bildungseinrichtung hinter Zäunen und Stacheldraht. Hier fließen Fördermittel aus der EU und Deutschland ein und fallen erfreulicherweise auf fruchtbaren Boden. Auch da war der Andrang groß. Botschafter Kriener, Harald und ich trugen zur deutschen Nachkriegsgeschichte im Kontext des Kalten Krieges, zu Aspekten der Übergangsjustiz/Mediation und zur Wiedervereinigung sowie dem Zusammenwachsen Deutschlands nach 40jähriger Teilung vor. Die anschließende Pressekonferenz machte einmal mehr das Interesse an diesen Themen deutlich.


Am Nachmittag verließen wir Venezuela Richtung Kolumbien... ganz unkompliziert. Es bleiben einzigartige und unvergessliche Begegnungen, Gespräche und Eindrücke, die uns nachhaltig beschäftigen und uns später einholen werden.


Ein Zeitungsartikel (spanisch - mit Google ins deutsch übersetzten...) und ein paar Bilder können hoffentlich ein paar Eindrücke vermitteln.

Bogota - Caracas

11-29-2019

Nachdem wir trotz "holpriger Anreise" dann doch gut in unserer Unterkunft in Bogota angekommen sind und nach einigen Stunden Schlaf ausgeruht die Veranstaltung an der Universidad de Los Andes anlässlich des 30. Jahrestages des Mauerfalls meistern konnten, hieß es am Abend dann schon wieder Sachen packen. 3.00 Uhr in der Früh wartete der Wagen zum Flughafen auf uns,. 6.00 Uhr - am 9. November - ging der Flieger nach Caracas. Die Anfrage aus Venezuela, anlässlich der Feierlichkeiten zum Mauerfalljubiläum einen Vortrag zu halten, kam völlig überraschend zum Ende der Sommerferien und war überaus vorsichtig formuliert... "...könnten Sie sich vorstellen... trotz der problematischen Sicherheitslage... wir versprechen alles zu Ihrer Sicherheit notwendige zu tun..." - persönlich geschrieben von Botschafter Kriener. Ich habe nicht weiter nachgedacht und "Jaaaaa…" geantwortet. Zeit, das mit Harald abzusprechen blieb (irgendwie;-) nicht - der musste mit...


Die Vorgeschichte der geplanten Festveranstaltung, organisiert durch die Deutsche Botschaft, liegt in den Unruhen und Demonstrationen rund um die Auseinandersetzung um die rechtmäßige  Präsidentschaft Anfang des Jahres und die eklatant schlechte Versorgungslage im Land. Die Deutsche Botschaft, allen voran Daniel Kriener, positionierte sich "engagiert" für Juan Guido, was zur Ausweisung des Botschafters durch die venezuelanische Regierung unter Nikolas Maduro führte. Seit August ist Botschafter Kriener wieder an seinem Amtssitz in Caracas und plante mit der Festveranstaltung zum 9. November ein Zeichen zu setzen. Die Möglichkeit dabei mitwirken zu dürfen, bedeutete eine große Ehre für mich und nun stand die Ankunft in Caracas unmittelbar bevor.


Da letzte Mal, dass ich so aufgeregt einer Einreise in ein fremdes Land entgegen sah, geschah ziemlich genau vier Jahre zuvor bei der Eineise nach Nord-Korea. Aber während damals alles reibungslos verlief (aufwendige Kontrollen waren einkalkuliert), wurde uns in Caracas die Einreise verweigert. Wir wurden beide, unabhängig voneinander, nach unserem Reise-"Endziel" gefragt. 19. April 2020 ohne gültiges Ticket für dieses Datum, rief den Sicherheits-Supervisor auf den Plan. Zuerst wurden unsere Pässe eingezogen - da rutscht einem schon das Herz in die Hose - dann mussten wir aus der Reihe raus und warten. Nach etwa einer halben Stunde kam ein Beamter der Grenzpolizei auf uns zu und fragte nach dem Ausreisestempel aus Deutschland. Dass wir keinen Stempel benötigen, um unser Land zu verlassen, ließ ihn zu einem ungläubigen Lächeln hinreißen und er bemerkte, dass das nicht sein könne und wir außerdem den Einreisestempel nach Bogota, zwei Tage zuvor, gefälscht hätten - das wirkte nun gar nicht beruhigend auf die angespannte Situation.


Dem durchaus respekteinflößenden Mann fielen die zahlreichen Stempel in unseren Reisepässen auf und er fragte, welches war das aufregendste Land, welches wir bisher bereist hätten. wir antworteten, dass wir gerne abwarten würden . vielleicht würde es ja Venezuela. Er lachte, 10 Minuten später knallte der Stempel und wir durften die inzwischen leer gewordene Ankunftshalle verlassen und einreisen...



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