Von Delhi noch einmal zurück nach Nordkorea

11-26-2015

...aber glücklicherweise nur auf dem Papier!


Vor einer Woche war ich gemeinsam mit einem Freund noch dort und an diesem zweiten Tag unseres Aufenthaltes kippte wohl auch meine Stimmung ganz gewaltig... aber der Reihe nach.


Die Idee Nordkorea zu bereisen kam 2012, als ich im Rahmen eines Besuchs der Deutschen Botschaft in Seoul eine Stippvisite an die DMZ (demilitarisierte Zone) unternahm und dabei an mehreren Stellen nach Nordkorea rüber schauen konnte. Die Scheidestelle zwischen beiden koreanischen Staaten ist gewiss die Demarkationslinie in Panmunjom, an welcher der ganze Wahnsinn der Teilung deutlich wird. In einer die Demarkationslinie kreuzenden blauen UNO-Baracke wurde 1953 der Waffenstillstand zwischen beiden koreanischen Staaten geschlossen, nicht aber der Krieg beendet. Und wie es sich für einen gehört der schon einmal an einer Grenze stand und nicht rüber durfte, arbeitete ich an dem Plan rüber zu kommen. Lebensgefährlich sollte es diesmal nicht werden - so war das Visum recht unkompliziert zu beschaffen und mit der Zusage eines Reisegefährten auch ein wenig die Angst genommen... Sorge hatte ich allerdings, dass es bei der Einreise in die USA und nach Südkorea Probleme geben könnte. Das hielt sich aber ebenfalls in Grenzen und so ging es am 17.11. von Peking nach Pjöngjang. Alles war aufregend. Der Check In - es waren erstaunlich viele Passagiere am Schalter, der Flug - es setzte augenblicklich Propaganda ein, die Ankunft - wir wurden  z.B. Zeugen wie die koreanische Frauenfußball-Mannschaft (sie holte in China den Asia-Cup) zwar den Diplomaten-Track nutzen konnte, sich dort aber lediglich ihrer Pässe zu entledigen hatten um anschließend wieder in Isolation zu verschwinden. Wir Touristen mussten Mobiltelefone, Kameras und Bücher zur Inspektion abgeben und durften erst nach eingehender Kontrolle einreisen. Abgeholt wurden wir von einer Aufpasserin und einem Aufpasser, die uns während der Dauer unseres Aufenthaltes nicht mehr von der Seite weichen sollten. Und dann setzte sie ein die erwartete Propaganda-Maschinerie...Kim Il Sung und Kim Yong Il an allen Ecken und Enden, ich kann das alles gar nicht in Kürze widergeben. Nur so viel - es war scheußlich. Gefreut hatte ich mich auf besagten 2. Tag (s.o.), an dem wir, nach Propagandaschlacht, in einen Pionierpalast eingeladen waren, um Aufführungen von Kindern (in Nordkorea heißen diese Pioniere) zu sehen. Das war aber das reinste Gruselkabinett - wir sahen dressierte, aufgedrehte Kinder, die in erschreckender Perfektion kleine Kostproben ihres eingedroschenen Könnens zeigten ohne auch nur im aller geringsten mit uns Zuschauern Kontakt aufzunehmen. Ich habe einmal den Versuch gestartet deren Leistung mit einem "Komapsemida" (Danke) und einem Lächeln zu würdigen und wurde in einem derartigen Maße "nicht angeguckt", dass es mir das Blut in den Adern gefrieren ließ und von diesem Moment an konnte ich nichts mehr genießen. Im Rahmen eines kleinen Theaterstückes wurde der "Verkehr" Pjöngjangs dargestellt - alles aufgesetzt und übertrieben und genau das hatte ich im Kopf, als mich unsere Aufpasserin anschließend fragte ob es mir gefallen habe... ich antwortete, dass es "interessant" gewesen sei, die Perfektion "unfassbar", die strahlenden Gesichter der Kinder allerdings überhaupt nichts mit den Gesichtern zu tun hatten, die (wir überholten gerade einen mit Menschen vollgestopften Bus) auf der Straße zu sehen seien... das wurde mit Lachen quittiert.


Am 3. Tag besuchten wir Panmunjom, dass ich bereits 2012 kennen lernte. Diesmal hörte sich die Geschichte rund um den Koreakrieg und die Tatsache der Teilung Koreas natürlich ganz anders an... Kim Il Sung, der ja bereits 1945 (fast im Alleingang) die Japaner schlug und damit das 40jährige Joch der Invasion beendete, hat quasi auch den Koreakrieg siegreich beendet und Nordkorea den Kommunismus beschert - so etwas kann doch eigentlich auch nur ein gottgleiches Wesen hinkriegen (dass aber im Koreakrieg zigtausende Chinesen mit von der Partie waren, blieb ebenso unerwähnt wie der Ausgang des Krieges von Nordkorea aus. Alles nur feindliche Geschichtsfälschung!!!)


Der Nachmittag war dann der "propagandärmste" Teil unseres Aufenthaltes. Wir besuchten die ehemalige Haupstadt Koryos (Koreas). Kaesong war bis zur japanischen Invasion 1905 auch Sitz des Kaisers, so waren Teile des Palastes und die berühmten Königs-Gräber zu bewundern, die zum Welt-Kulturerbe erklärt wurden. Im Gegensatz zu Welt-Kulturerbe-Stätten anderenorts, die man in aller Regel mit tausenden Besuchern zu teilen hat, waren wir da... die einzigen Besucher.


Da der 3. Tag gleichzeitig unser letzter war, gab es ein Abschluss-Dinner. Unsere Aufpasser zeigten sich recht entspannt, vielleicht auch weil sie uns am nächsten Tag loswerden würden und das, in Anbetracht der unangenehmen Fragen die ich stellte und Anliegen die ich hatte, als Befreiung empfanden. Doch dann kam die unglückliche Frage, die besser nicht gestellt worden wäre... "Wie hat Ihnen denn der Aufenthalt in unserem Lande gefallen?" Da es mir die Sprache verschlug, antwortete zunächst mein mitreisender Freund und gab mir damit Gelegenheit, mich gegebenfalls der "Stimme zu enthalten" und ich dachte auch ernsthaft darüber nach. Aber dann legte ich los und gab zunächst zu verstehen, dass ich diesen "Pionierpalst-Fake" als Übergriff empfand, dass es mich aber noch mehr belastet hat so gar keinen Kontakt zur Bevölkerung zu bekommen, oder bekommen zu dürfen, und dass ich genau daran fest mache, ob mir ein Auslandsaufenthalt gefällt oder nicht...


Am kommenden Morgen brachten uns unsere Aufpasser noch zum Flughafen, halfen uns bei den Ausreiseformalitäten und fragten, ob wir noch einmal nach Nordkorea reisen würden... "Ja..."  war meine Antwort "wenn WIR uns frei im Land bewegen können und das Zusammensein mit IHNEN auf freiwilligen Verabredungen beruht"...


Kurz bevor wir in die Maschine stiegen, winkten wir einander noch einmal zu - das war´s...


 



11-27-2015
Veronika
Nur ein erster flüchtiger Eindruck meinerseits:
Du "klingst" ziemlich wütend - .?
11-27-2015
Ulrike
Lieber Peter, dein Reisebericht ist deckungsgleich mit Erfahrungen eines guten Freundes von mir, der ebenfalls Nordkorea bereisen wollte bzw musste aus beruflichen Gründen. Leider ist ein Austausch mit Einheimischen ausgeschlossen bzw.wird durch spezielle Aufpasser verhindert.Dennoch soll es ein wunderschönes ?Land sein😏 Bin froh , dass du heil wieder zurück bist 💛
11-30-2015
Sandra
Lieber Peter, deine Schilderungen sind sehr eindrücklich! Danke, dass du deine Reiseeindrücke mit uns teilst.

Kommentar






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